Die Geschichte

Am Anfang sollte Lernen wie ein Abenteuer sein - Fremdes und Neues ergründen, Fortschritte machen und stolz sein über den Weg, den man gegangen ist - stets geführt und gesichert.

Seit dem Jahr 2008 existiert für die 1. und 2. Klassen an der Pestalozzischule ein gemeinsames Lernkonzept. Die ehemalige Rektorin Frau Renate Wacker (2011 bis 2021 im Amt) und das damalige Kollegium hatten beobachtet, dass in den damaligen jahrgangs-bezogenen Klassen 3 und 4 im Gegensatz zu den 1/2er Klassen eine große Unruhe, Konflikte und unsoziales Arbeiten vorherrschten. 
Das damalige Kollegium wünschte sich eine Veränderung. 2015 wurde dann der Entschluss gefasst, auch ein JÜL für die Jahrgangsstufen 3 und 4 zu entwickeln.
In einem zwei Jahre dauernden Dialog wurde ein Konzept unter Führung der Schulleitung und des Lehrerkollegiums mit Einbindung der Edinger Eltern entwickelt. Arbeitsgruppen haben um das beste Konzept gerungen. Es fanden öffentliche Informationsveranstaltun-gen für die Eltern statt, wo Experten Vorträge hielten, aber auch Elternver-treter anderer Schulen mit einem JÜL Konzept von ihren Erfahrungen berich-teten.

Bei dem Entwicklungsprozess wurden auch die Bedenken und Ängste der Eltern aufgegriffen.


Ganz am Ende dieses mehr als zwei Jahre währenden Prozesses wurde das Konzept in der Schulkonferenz vorgestellt und zur Abstimmung gebracht. Eine Mehrheit des Lehrerkollegiums und des Elternbeirats stimmten für das neue jahrgangs-übergreifende Lernkonzept für die Klassen 3 und 4. Die Umstellungsphase war dem Vernehmen nach kein einfacher Prozess, war aber bis vor der Pandemie erfolgreich abgeschlossen.

Eine

Schulstunde
an der

Pestalozzi- Schule 

Das räumliche Konzept

Bereits bei der Raumkonzeption ist nichts dem Zufall überlassen. Sie folgt klaren pädagogischen Überlegungen. So befinden sich an der Pestalozzischule Edingen die Klassen-zimmer einer jahrgangsübergreifenden 1/2er-Klasse und der Klasse 3/4 auf dem selben Stockwerk gegenüber. Sie bilden eine Einheit und sind nach Farben und Tieren benannt, bspw. die roten Igel oder Krokodile. Die Zweitklässlerkinder einer aktuellen Klasse kennen also die Drittklässler von gegenüber aus ihrer eigenen 1. Klasse. Nach den Sommerferien werden sie mit diesen die neue 3/4 bilden, und so weiter. Die Klassenlehrer:innen der 1/2 und 3/4 bilden ein Tandem, unterstützt von jeweils einer zusätzlichen Erzieherin. So unterrichten die beiden Klassenlehrer:innen auch einen Teil in der jeweils anderen Klasse. 


Das Klassenzimmer

Wer am ersten Elternabend kurz nach der Einschulung seines eigenen Kindes das Klassenzimmer  betritt, wird staunen. Nichts erinnert mehr an die Tage aus der eigenen Kindheit. Man wundert sich und fragt sich zunächst zugleich, wie hier Unterricht stattfindet? Der Raum ist großzügig. In der Mitte stehen Stühle und Bänke im Kreis. Dann stehen Zweiertische  wie ein Hufeisen angeordnet darum herum. Da ist an einer Wand gegenüber der Tür dann doch noch etwas Vertrautes - eine klassische Tafel. Es gibt eine Ecke mit einer roten Matte, abgetrennt mit Regalen mit vielen Büchern. Dann gibt es da noch farbige Kisten, viele Regale und überall sind Materialien zu entdecken.  Man sieht  Gemaltes, Gebasteltes, Werkstücke, aufgehängte Fotos. 

Alles folgt einem pädagogischen Konzept. In der Mitte treffen sich die Kinder am Morgen zum gemeinsamen Begrüßen und zum Lerneinstieg. Es ist nicht nur der Ort des gemeinsamen Kommunizierens - es ist auch das Zentrum für gemeinsames Lernen. Die Tische dahinter sind der Raum für individuelles Lernen und Vertiefen von Wissen. Die unmittelbare Umgebung gleicht einem Büro mit griffbereiten Materialien und Büchern. Zusätzlich gibt es Gruppentische, die flexibel für Gruppenarbeit genutzt werden können. Die Ecke mit der roten Matte ist die Leseecke und ist zugleich ein stiller Ort zum Rückzug, Lesen und für eine Pause. Die Raumaufteilung mit den unterschiedlichen  Sitzgelegenheiten kommt besonders den "Kleinen" in der 1. und 2. Klasse mit ihrem natürlichen  Bewegungsdrang entgegen, ohne dass dabei Konzentration verloren geht. Jedes Kind lernt in seinem Tempo und die Kinder auch voneinander.

Schon bei der Ausgestaltung der Klassenzimmer verfolgt JÜL das Prinzip, der natürlichen Differenzierung (oder auch Heterogenität) unter den Kindern Rechnung zu tragen. 


Dieser Abschnitt bis hierher beschreibt eine Klasse, die wir aus eigener Erfahrung mit unseren Kindern gut kennen und entsprechend beschreiben können. Uns geht es dabei, anderen einen Einblick zu ermöglichen. Die Ausgestaltung in anderen Klassen mag anders sein.


Der Unterricht - eine typische Stunde

Thema: Präpositionen (Lagewörter). Die Kinder sitzen in der Mitte des Klassenzimmers im Kreis. Es wird eine Bildkarte gezeigt. Ein Kind der ersten Klasse sagt, was es sieht: "Der Käfer sitzt auf dem Blatt." Die Bildkarten werden nach Präpositionen sortiert. Danach beginnt die Partnerarbeit. Die Zweitklässler schreiben in ihrem "Satz-für-Satz" Heft, die Erstklässler in ihrem "Wort-für-Wort" Heft. Variationen dazu könnten sein, dass die Kinder sich die Präpositionen auf spielerische Art und Bewegung mit einem Stuhl erarbeiten: "Ich sitze auf dem Stuhl.", "Ich stehe vor dem Stuhl." oder "Ich stehe zwischen dem Stuhl und Lisa". Mathematik, Thema Zahlen: Es werden Zahlbilder gelegt. Die Erstklässler dürfen entsprechend viele Holzwürfel darauf legen. Die Zweitklässler schreiben sich dazu eine Aufgabe auf und rechnen damit die Grundrechenarten. Die schnellen Kinder helfen denen, die noch Zeit brauchen oder auch die Zweitklässler den Erstklässlern. So kann der Lehrer, aber auch das Kind selbst erkennen, ob es den Lerninhalt verstanden hat oder selbst noch Hilfe braucht. So lernen die fitten Kinder das Erklären und somit auch eine inhaltliche Reflexion, also Verständnis durch Erklären und Wiederholung, aber auch Geduld mit anderen zu haben. 

Die Zukunft?

Im Jahr 2021 ist die langjährige Rektorin Frau Renate Wacker in den Ruhestand gegangen. Ihr Nachfolger wurde Herr Eric Sasse. In einem Interview in der Rhein-Neckarzeitung äußert er sich bei seinem Amtsantritt noch beein-druckt über die Aufbauarbeit von Frau Wacker und über das JÜL an der Pestalozzi-schule Edingen. So sagte er: "Die Grundschule in Edingen hat ein besonderes pädagogisches Profil. Ganz-tagsschule und jahrgangs-übergreifendes Lernen unter einem Dach – das sei sicher eine Herausforderung. Aber man merkt schnell, dass sich hier viele Menschen viele kluge Gedanken zur Umsetzung und konkreten Gestaltung im Schulalltag gemacht haben." Er führte weiter aus: "Da war ich sehr schnell begeistert von den Möglichkeiten, die diese Schule bietet." Er ergänzte: "Dank der tollen Arbeit von Frau Wacker und des Kollegiums habe ich hier den Luxus, erst einmal ankommen zu dürfen." Er könne sich alles in Ruhe anschauen und dann gemeinsam mit dem Kollegium überlegen, wie und in welche Richtung sich die Schule weiterentwickelt. 

Auch in einem Gespräch mit dem damaligen Bürger-meister Michel spricht er von der Grundschule Edingen mit hohem Respekt und Anerkennung. Er sagte damals: "Für ihn habe die Grundschule in Edingen ein besonderes pädagogisches Profil. Jahrgangsübergreifen-des Lernen und Ganztags-schule unter einem Dach – das sei eine spannende Herausforderung, so der neue Schulleiter."


Kurz vor den Sommerferien teilte die Schulleitung in einem Rundbrief auf der Schulcloud als "Fußnote" mit, dass beschlossen ist, mit dem Schuljahr 2023/24 das JÜL an der Pestalozzischule abzuschaffen. Weitere Informationen über die Hintergründe und welches Lernkonzept das JÜL ablösen wird, wurden nicht genannt. Wir müssen davon ausgehen, dass in einer Gesamtlehrer-konferenz (GLK) im Sommer-halbjahr 2022 ein sehr knappes Votum innerhalb des Lehrerkollegiums gegen das JÜL gefällt wurde, obwohl eine Elternumfrage zur Zufriedenheit mit dem JÜL - gerade erst im Frühjahr 2022 durchgeführt - ein klares Votum von 73.4% für das JÜL ergeben hat. Zur Elternumfrage geht es hier. Mittlerweile gab es im Januar und Februar 2023 ein Treffen von Initiativemitgliedern mit der Schulleitung. Mehr Informationen dazu und zu den Fragen, die wir hatten, finden Sie hier.

So wurde unsere Frage, ob es denn ein starkes Votum und somit Mandat aus der GLK gegeben habe, das JÜL abzuschaffen, mit Verweis auf Vertraulichkeit nicht beantwortet. Wir gehen aber davon, dass ein starkes Votum/Mandat unumwunden nach außen kommuniziert worden wäre. Der Elternbeirat wurde in einer Schulkonferenz vom 28.06.2022 über den GLK-Beschluss informiert. Es ist bis heute nicht klar, ob die Elternbeiräte im Vorfeld über inhaltliche Aspekte und Hintergründe des GLK-Beschlusses zeitgerecht und vor allem umfassend informiert wurden und somit ausreichend Raum und Zeit bestanden hat, sich ein gefestigtes Meinungsbild zu machen. Es wurde kein weiteres Meinungsbild der Gesamtelternschaft dazu  in der Folge eingeholt - obwohl die Elternumfrage aus dem selben Halbjahr eine hohe Zufriedenheit mit dem JÜL ergeben hatte. 


Mittlerweile ist klar, dass ein einfaches jahrgangshomo-genes Lernkonzept, wie es an den allermeisten Schulen existiert, das JÜL ablösen wird. Wie dieses Konzept darüber hinaus ausgestaltet sein wir, ist zur Zeit (Stand Mai 2023), also 4 Monate vor Beginn des Schuljahres 2023/24  weiter unklar. Immerhin wurde mittler Weile am 30.03.2023 zu einem Elterninformations- abend  und am 27.04.2023 zu einem Abend für Eltern zur Schulentwicklung eingeladen.

„Was man einem Kind beibringt, kann es nicht mehr selbst entdecken. Aber nur das, was es selbst entdeckt, verbessert seine Fähigkeit, Probleme zu verstehen und zu Lösen.“

Jean Piaget